Ähnlich sieht das auch Markus Wortmann, Kriminologe und Polizeiwissenschaftler (M.A.). Der Gründer des gemeinnützigen Vereins Sicheres Netz hilft e.V. berichtet: „Bei uns melden sich viele Betroffene, die nach einem unangenehmen Vorfall im Netz Hilfe suchen. Abos, die abgeschlossen werden, weil der Benutzer angezeigte AGB oder Nutzungsvereinbarungen vorschnell akzeptiert, ohne sie wirklich gelesen zu haben, sind keine Seltenheit mehr. Aber eine solch technische Umsetzung der Abo-Falle, ohne weitere Benutzeraktion, ist auch für uns neu.“
Ein Blick auf die Bewertungen
Es ist auffällig, dass von den über 1.000 abgegebenen Bewertungen fast 25% negativ waren (weniger als 3 Sterne vergeben). Der erste negative Kommentar wurde am 6. November 2015 registriert, nur drei Tage nach dem Start der App im Store. Dieser Aussage folgten noch viele weitere negative.
Auch die positiven Kommentare sollten einmal genauer in Augenschein genommen werden. Bei genauem Hinschauen wird deutlich, dass bei vielen etwas nicht stimmen kann. So verweisen einige User auf eine ganz andere Entwicklerfirma oder aber sie erwähnen die Zahl durchgespielter Level. Das Spiel hat aber keine Level, die man spielen kann – man spielt gegen die Zeit und beginnt immer wieder bei Null. Auch ein Hinweis darauf, dass eine Nutzerin ein Minispiel aus dem Level „mit den Blauen Punkten wann sie sich berühren“ haben möchte ist nutzlos: Es gibt in diesem Spiel keine blauen Punkte, ebenso wenig wie Knobeleien und anspruchsvolle Denkaufgaben, die an anderen Stellen erwähnt werden.
Abgesehen davon, dass viele Namen der positiv kommentierenden Personen exotisch und teilweise arg künstlich klingen, gibt es sogar Menschen mit den exakt gleichen Fotos unter ihnen. Torrance Robinet und Cesna Derrick sind übrigens laut ihren Google+ Profilen männlich. Die Fotos lassen das nicht vermuten.
Die Fotos der beiden Beispiele sind selbstverständlich von anderen Personen: Der Mann ist Jackson Rathbone, US-amerikanischer Schauspieler, und die Dame ist vermeintlich eine Professorin für Geschichte an der Universität von Rio de Janeiro, Brasilien.
Ihre Bilder werden hier missbraucht. Selbstverständlich ist es nicht ungewöhnlich, dass User ein Bild ihres Idols als Profilbild anlegen, aber in diesem Fall ordnen wir die Gesamtheit der Ungereimtheiten einer organisierten Masche zu.
Einige der Bewertungen, die inhaltlich nicht zum Spiel passen, verbinden auch andere Apps mit der Abo-Falle. Es werden neben der von uns thematisierten Dating-App mindestens zwei weitere Programme genannt, aus denen die User auf das fragwürdige Spiel geleitet wurden. Somit ist es spätestens dann nicht mehr weiter verwunderlich, dass die Zahl der Downloads für die App so schnell ansteigen konnte.
Die Firmen im Hintergrund der Abos
Die empfangenen SMS zeigen, dass drei Firmen involviert sind: Die net mobile AG aus Deutschland, Telefuture Nederland B.V und auch Globway B.V., beide aus den Niederlanden.
Die beiden Produkte, die man meiner Freundin wahrlich angedreht hat, werden „ABO MOBIMANIACS DOWNLOADS“ und „ABO DE.APPTIPS.ME“ genannt. Jedes von ihnen kostet 4,99€/7 Tage. Den Verflechtungen hinter diesen beiden Produktnamen sowie den dazugehörigen Webseiten und Firmen gehen wir an dieser Stelle nicht weiter nach.
Die net mobile AG kümmert sich um die Zahlungsabwicklung zwischen den Mobilfunkanbietern und den beiden niederländischen Firmen, ist also nur ein Vermittler. Über sie konnte meine Freundin die abgeschlossenen Abos telefonisch umgehend kündigen. Die Rückforderung des Geldes müsse sie allerdings mit den niederländischen Unternehmen, den Dienstanbietern, ausmachen, so die Auskunft des net mobile AG Kundenservice aus Düsseldorf.
Globway B.V. ist Teil der Telefuture Group und so ist es nicht verwunderlich, dass beide Firmensitze in nur wenigen Metern Abstand zueinander liegen, wenige Kilometer nördlich des Stadtzentrums von Rotterdam. Und beide Firmen sind in Benutzerforen und auch bei Beschwerdestellen keine Unbekannten. Es gibt unzählige Meldungen über ungewollt abgeschlossene Abos in Verbindung mit den Namen.
Die Firma Globway B.V. gibt auf ihrer Internetseite sogar bereitwillig Auskünfte über die „Payouts“, also die auszahlbaren Beträge, in den verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Zahlungsmethoden. Ein Beispiel für Deutschland und den Mobile Billing Service: Wird einem Benutzer ein Service für 4,99€ über T-Mobile verkauft, dann bleiben nach Steuern und Gebühren noch 2,68€ als Gewinn übrig. Im Vodafone-Netz sind es laut dem Rechenbeispiel sogar 2,86€ Gewinn. Sicher werden von Auftraggebern noch andere Kosten beglichen werden müssen, aber diese Beispiele sind ein guter Anhaltspunkt für die möglichen Profite dieser Geschäfte.